rhw-Expertenrat | Lesezeit 2 min

Über das Präventionsparadox

Thomas Meyer

Extra-Expertenrat, ein Beitrag von Thomas Meyer, erschienen in rhw management Ausgabe 01-02/2025 (870 kB)

Der Begriff Präventionsparadox stammt aus der Epidemiologie und den Gesundheitswissenschaften. Er beschreibt, dass präventive Maßnahmen oft weniger sichtbar sind und anerkannt werden, obwohl sie insgesamt einen großen Nutzen haben.

Wenn der Erfolg einer Maßnahme darin liegt, dass nichts passiert, verlieren die Argumente für eine gute Prävention mancherorts an Kraft. Das Präventionsparadox kann auch bei der Oberflächenreinigung und Desinfektion in Krankenhäusern ein Thema sein, obwohl die Gesundheit und das Leben der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt stehen sollten.

Hier einige der Aspekte:

Der Erfolg ist unsichtbar

Präventive Maßnahmen verhindern hohe Fehlerkosten, die ohne sie auftreten würden. Wenn durch regelmäßige Reinigung und Desinfektion nosokomiale Infektionen verhindert werden, ist der Erfolg nicht sichtbar, weil die Infektionen nicht auftreten. Dadurch kann es so wirken, als ob die Maßnahme unnötig sei.

Unterschätzter individueller Nutzen

Aus Sicht von Einzelpersonen mag es so erscheinen, als wäre die intensive Reinigung übertrieben. Denn man kann ja nicht direkt erleben, dass so eine Infektion verhindert wurde. Verantwortliche im Krankenhausmanagement hinterfragen die Investitionen bei Reinigung und Desinfektion, da die positiven Effekte nicht unmittelbar greifbar sind. Auf gesellschaftlicher Ebene kann jedoch ein erheblicher Nutzen darin bestehen, weil eine große Anzahl an Personen geschützt wird und dadurch die Gesamtrate nosokomialer Infektionen sinkt.

Fehlender Kontrast zwischen Aufwand und Erfolg

Der Zusammenhang zwischen einer qualitativ und fachlich einwandfreien Reinigung und der Verhinderung von Infektionen ist meist indirekt. Es ist schwierig zu beweisen, dass eine bestimmte Infektion tatsächlich durch eine mangelnde Reinigung verursacht oder durch gute Hygiene verhindert wurde. Der Erfolg würde erst sichtbar, wenn die Maßnahme vernachlässigt wird und Infektionen zunehmen – doch wer wollte schon solch ein Experiment wagen?

Ressourcendruck

In vielen Krankenhäusern herrscht ein ständiger Druck, Ressourcen und Investitionen effizient einzusetzen. Maßnahmen, deren Nutzen nicht direkt sichtbar oder kurzfristig messbar ist, stehen oft unter besonderer Rechtfertigung. Dadurch kann die Bedeutung der Oberflächenreinigung und Desinfektion unterschätzt werden, obwohl sie eine essenzielle Schutzmaßnahme darstellt.

Verhaltenspsychologie

Menschen tendieren dazu, Risiken zu ignorieren, die sie nicht direkt sehen oder erleben. Eine Oberflächenkontamination ist unsichtbar und wird daher leicht als geringes Risiko wahrgenommen, auch wenn sie in Wirklichkeit gravierende Folgen haben kann.

Fazit

Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass Investitionen in Reinigung und Desinfektion nicht nur gesundheitlich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sind. Diese Erkenntnisse stammen jedoch oft aus Einzelstudien, modellierten Analysen oder Erfahrungsberichten. Eine systematische Sammlung und Veröffentlichung solcher Daten in den Häusern kann die Akzeptanz und das Verständnis für diese Investitionen verbessern.

Im Sinne des Schutzes aller Patientinnen und Patienten, deren Angehörige und den Mitarbeitenden sollte präventives Verhalten in den Basishygienemaßnahmen systematisch umgesetzt und nachhaltig gefördert werden.